Sie gehen in den Supermarkt. Am Eingang checken Sie mit Ihrem Smartphone ein, Sie beladen den Einkaufswagen, checken am Ausgang mit dem Smartphone wieder aus. Die Bezahlung läuft vollautomatisch im Hintergrund. Keine Kassenschlange, keine Suche nach passendem Kleingeld, kein Ärger über langsame oder nicht funktionierende Kartenterminals. Diese schöne neue Einkaufsvision zeigte Amazon Ende vergangenen Jahres erst in einem Video. Inzwischen hat Amazon Go, der erste vollautomatische Supermarkt „ohne Kasse“, in Seattle den Probebetrieb aufgenommen.
Damit der Kunde ein schönes Einkaufserlebnis hat, arbeitet im Hintergrund massive IT. Performante Netzwerkinfrastruktur und erhebliche Rechenleistung sind nötig, damit das System erkennen kann, welche Ware ein Kunde gerade in den Einkaufswagen gelegt hat, was im Wagen geblieben ist und was ins Regal zurückgelegt wurde. Zwar leidet Amazons Experimentalsupermarkt noch immer unter technischen
Problemen – bei mehr als 20 Kunden, die gleichzeitig einkaufen, bricht die Performance des Systems zusammen – und ist im Testbetrieb nur für Mitarbeiter des Etailers geöffnet, er zeigt aber deutlich, wohin im Einzelhandel der Weg geht. Die schöne Botschaft für unsere Branche: Der Handel wird in den kommenden Jahren erheblich in IT-Infrastruktur und Software investieren.
Derzeit ist der deutsche Einzelhandel allerdings noch weit vom bargeldlosen Geschäft entfernt. Deutschland gilt als Domäne der Barzahler. Über die Hälfte aller Geschäfte wird bar abgewickelt. Alternative Bezahlsysteme verbreiten sich – außer im E-Commerce – eher schleichend. Dabei ist das Bargeldhandling für Einzelhandel und Banken aufwändig und teuer. Bereits 2011 rechnete das European Payment Council aus, dass die „bargeldrelevanten Kosten“ europaweit 50 Milliarden Euro im Jahr betragen. Davon entfielen auf den deutschen Einzelhandel geschätzte sieben Milliarden.
Kontaktloses Bezahlen über Near Field Communication (NFC) ist auf dem Vormarsch. Inzwischen haben die meisten großen Retailer Terminals eingeführt oder bestehende umgerüstet. Und auch bei mittelständischen Einzelhändlern hält die Technologie inzwischen Einzug.
Im Frühjahr hat die Münchner Bäckerei Ziegler in ihren 24 Filialen bargeldloses Bezahlen per girocard mittels NFC eingeführt. Die Bäckereibranche gilt als einer der hartnäckigsten Verweigerer bargeldlosen Bezahlens. Aufgrund der niedrigen durchschnittlichen Rechnungsbeträge waren die Konditionen eines der wesentlichsten Hindernisse. Dass diese bei Zieglers Hausbank „den einstelligen Centbereich nicht übersteigen“, war ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung der Bäckerei.
Bargeldlose Bezahlverfahren sind in Deutschland inzwischen auf dem Vormarsch.
Die Vorteile von NFC bzw. kontaktlosem Bezahlen liegen auf der Hand: Es ist schnell und einfach – für Kunde wie Ladenpersonal. Bis 25 Euro ist beim NFC-Verfahren keine PIN erforderlich. Die Karte neben das Lesegerät halten reicht, um die Bezahlung auszulösen. Und ganz wichtig im Lebensmitteleinzelhandel: NFC ermöglicht sehr einfach hygienisches Bezahlen – bei Barzahlungen ist das erheblich aufwändig. Zudem ist die Technologie flexibel und ermöglicht den Einsatz von Karten, Smartphones, Uhr, Armband sowie anderen Devices.
Und das Bargeldhandling wird auch für kleine Betriebe zunehmend teurer: „Die Nord/LB verlangt mittlerweile bei Einzahlung von über 50 Münzen eine Gebühr von 7 Euro. Wenn ich also 51 einzelne Cent-Münzen einzahle, habe ich hinterher 6,49 Euro weniger auf dem Konto.“ Das beklagt etwa Karsten Fucke, Inhaber der Braunschweiger Bäckerei Fucke, in einem sehr lesenswerten Interview mit dem IT-Finanzmagazin. Dessen Unternehmen arbeitet seit 2012 mit girogo. Fuckes Erfahrungsbericht zeigt, wie stark ein Bezahlverfahren vom Erfolg der Marketingaktivitäten des jeweiligen Betreibers abhängig ist, die kritische Masse an Benutzern zu überzeugen.
Tatsächlich sind bargeldlose Bezahlverfahren in Deutschland inzwischen auf dem Vormarsch. Konsumenten legen auf der einen Seite großen Wert auf die Seriosität und Sicherheit traditioneller Banken, wünschen sich aber andererseits die Flexibilität, Einfachheit und Geschwindigkeit innovativer neuer Zahlungsanbieter wie Paypal oder Apple Pay. 40 Prozent der Befragten würden Zahlungen bis 1.000 Euro und 10 Prozent sogar bis 10.000 Euro über alternative Anbieter abwickeln, ergab eine repräsentative Studie des Beratungsunternehmens Cofinpro. Lediglich 12 Prozent der Befragten lehnt ihre Nutzung vollständig ab.
Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass auch in Deutschland bargeldloses Bezahlen langfristig das Bargeld ablösen wird. So prophezeit Björn Hoffmeyer, Deutschlandchef des Kreditkartenunternehmens American Express, gegenüber dem IT-Finanzmagazin: „Das Bargeld ist ein Auslaufmodell. Und auch das Plastikgeld wird aus den Portemonnaies verschwinden.“
Online: Die richtige Bezahloption ist Key!
Während bargeldloses Bezahlen im analogen Deutschland noch einen weiten Weg hat, ist es im E-Commerce naturgemäß dominant. Allerdings ist damit auch das Angebot der richtigen Bezahloptionen essentiell. Denn tatsächlich bricht jeder zweite Konsument seinen Einkauf ab, wenn er nicht die Option seiner Wahl im Onlineshop vorfindet. Das belegen Statista-Zahlen: Befragt nach den Gründen für den Abbruch des Bestellvorgangs gaben 50 Prozent zu hohe Lieferkosten und 47 Prozent „Ich konnte nicht mit der gewünschten Zahlungsart bezahlen“ an. Der Preis, technische Probleme und zu lange Lieferzeiten spielten lediglich bei knapp 30 Prozent der Befragten eine Rolle.
„Passen Sie sich den Zahlungsgewohnheiten Ihrer Kunden an“, empfiehlt daher Lena Seydaack, Marketingleiterin bei Payment-Anbieter PAYMILL. Denn die Kunden werden sich nicht auf die Optionen einlassen, die ein Onlineshop bietet.
Und bei ALSO, Herr Wisst?
„Das B-to-B-Umfeld, in dem ALSO tätig ist, unterscheidet sich natürlich erheblich vom Einzelhandel, aber auch vom B-to-C-E-Commerce. Weit über 90 Prozent der ALSO Partner werden auf Rechnung beliefert. Bezahlung per Paypal und Kreditkarte ist auch möglich, wird aber eher selten genutzt. Im Umfeld des ALSO Cloud Marketplace, auf dem unsere Partner Dienste buchen, die fortlaufend und nach Nutzung abgerechnet werden, wo also häufig wiederkehrende kleine Beträge anfallen, ist Abbuchung das Mittel der Wahl. Wir gehen natürlich auch über die hergebrachten Bezahlsysteme hinaus und betrachten den gesamten Zahlungsstrom. Hier entwickeln wir mit unseren Kunden immer neue innovative Modelle der Absatzfinanzierung. Ich bin davon überzeugt, dass diese in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen werden.“
Stefan Wisst,
Head of Credit & Collection Services
bei ALSO Deutschland